Emil Ruff, einstmals gefeierter Bestsellerautor,
schreibt schon seit Längerem erfolglos gegen das
Verblassen seines Ruhmes an, als eine nicht
zufällige Begegnung in einer Hotelbar ihm
unverhofft eine neue Chance verspricht. Er macht
die Bekanntschaft von Basil Bale, einem
Psychoanalytiker mit einem ungewöhnlichen
Spezialgebiet, der in aufgesucht hat, um ihn als
Autor für seine Biografie zu engagieren.
Zunächst skeptisch, aber doch neugierig und
angesichts seiner Lage auch ohne große Wahl,
folgt Ruff der Einladung dieses älteren Herrn.
Er taucht ein in eine Welt, in der Vögel jeden
Charakters die Hauptrolle spielen.
Bales Lebensbericht nimmt ihn mit auf eine
abenteuerliche Reise durch ein Königreich,
dessen verschiedenartige Bewohner sich durch
seltsamste Eigenheiten auszeichnen – und dabei
geradezu menschlich wirken. Es gilt, einen Mord
aufzuklären, Verschwörern das Handwerk zu legen
und die einzige Tochter des Königs von einem
rätselhaften Seelentrauma zu heilen. Und am Ende
wartet eine große Liebe.
„Die Vogelwelt“ ist ein Fantasy-Thriller, der
mit einem Feuerwerk an originellen Ideen
überrascht und mit einer guten Portion
satirischen Humors ein wahrhaftes Lesevergnügen
bereitet.

Leseprobe: Die Vogelwelt oder Basil Bales Reise
durch das Land der Vögel, S. 69–78
Es war ein lauer Sommerabend, als sie
nach einem leichten Mahl, das sie in einem
kleinen, stillen Restaurant, nur begleitet von
einem wachsamen Rotmilan und einem aufmerksamen,
aber nicht weiter störenden Sperber, eingenommen
hatten, über die Promenade der Vogelhauptstadt
schlenderten. Die Sonne ging über dem Meer
unter, eine zarte, nach Wasser und Ruhe
schmeckende Brise kühlte sie. Marcia plusterte
ihre Federn leicht auf.
Warum sie seine Einladung angenommen
hatte, wollte Basil wissen. Er hatte nicht
gewagt, ihre Flügelspitze, die sie wäh-rend des
Desserts neben seine Hand gelegt hatte, zu
berühren.
Weil Regeln dazu da seien, gebrochen zu
werden. Und weil er gesagt habe, Gefühle kennen
keinen Raum und keine Zeit und keine Regeln. Und
deshalb habe sie gar nichts brechen können, da
ja Gefühle keine Regeln kennen. Seine Frage sei
Unsinn.
Basil, Analytiker und auf alles
Menschliche und Vogelhafte vorbereitet,
zumindest hatte er dies gedacht, war sprachlos
und musste der inneren Logik ihrer Rede Beifall
zollen. Sie hatte recht. Da es zu den
unausgesprochenen vogelhaft-menschli-chen
Konventionen Frischverliebter, die sich ihrer
gegenseiti-gen Liebe noch nicht versichert
hatten, gehörte, Verwirrung zu zeigen, deutete
Basil auf das Meer, über dem dunkel stolze
Albatrosse schwebten.
Schön, meinte sie. Glücklich sei sie, im
Reich der Vögel zu leben.
Wenn nur die Terroranschläge, die sich
häuften, nicht wären, wandte Basil ein.
Das wäre wirklich ein Problem, antwortete
sie. Eine Grenze sei überschritten worden,
zurück ginge es nicht mehr, der Point of no
Return sei überschritten. Man könne die
Ver-menschlichung nur noch verlangsamen,
aufzuhalten sei sie nicht mehr. Früher seien die
Vögel frei, Herren der Lüfte gewesen, erläuterte
sie Basil, heute, seit einigen Jahren, seien sie
freiwillig zu Sklaven eines Währungssystems
geworden, das man eingeführt habe, um das
Tauschen überflüssig zu machen.
Während des Gesprächs hatte Marcia Basils
Hand mit ihren Flügelspitzen berührt. Basil, der
das wohl bemerkt hatte, hatte gezögert, ihre
Berührung zu erwidern. Marcia ließ sich durch
seine Passivität nicht beirren und ergriff nur
wenige Augen-blicke später seine Hand.
Basil erwiderte die Geste.
Ob er mit ihr noch ein Lokal aufsuche, um
ihretwillen und um ihm die voranschreitende
Vermenschlichung zu demons-trieren?
Basil willigte nur zu gerne ein.
Das Café war zwar gut besucht, doch für
die Königstochter wurde umgehend ein Tisch frei
gemacht. Kaum hatten Marcia und Basil Platz
genommen, legte Basil seine Hand auf Marcias
Flügelspitze.
„Du wirst …“
Basil horchte auf, sie hatte ihn zum
ersten Mal geduzt, das Blut rauschte in seinen
Ohren, einen Augenblick später, als sie ihren
Flügel zurückzog, in den Wangen. Er errötete.
„Der Finanzminister naht.“
Basil wandte sich um und sah einen
strahlend gelben, dicken Vogel winkend und
zirpend auf sie zustürzen. Im Schlepptau hatte
er eine feine, sich gediegen bewegende
Ka-nariendame.
„Gestatten?“, fragte er. Im Verbeugen
streckte er einen Flügel grüßend aus. „Franz
Glimmer, meines Zeichens Finanz-minister.“
„Wir sprachen von Ihnen“, antwortete die
Prinzessin, „und von Ihrer Frau.“
Basil hatte sich von seinem Stuhl
erhoben. Er reichte der Kanariendame die Hand,
verbeugte sich und deutete einen Kuss auf ihre
Flügelspitze an.
„Ah, ein Mensch alten Schlages“,
schnaufte der Minister. „Sieht man nur noch
selten. Und von mir wurde geredet?
Das“, er
verzog den Schnabel zu einem unschönen Grinsen,
„wundert mich nicht. Immerhin bin ich der
jüngste Finanz-minister der Geschichte der
Vogelwelt. Hatte ich das schon erwähnt?“
Die Prinzessin winkte ab. „Mehrmals.“
„Auch dass ich der bestbezahlte
Finanzminister bin? Und wie ich, ein junger
Vogel, frisch von der Uni, ohne jegliche
Be-rufserfahrung, politisch unbedarft, mit dem
Regierungspräsi-denten verhandelte?“
Die feine Kanariendame legte einen Flügel
auf die Schulter ihres Mannes. „Wir hören die
Geschichte gerne, auch mehr-mals. Du erzählst
sie unterhaltsam und anregend. Aber ich denke,
dass die junge Prinzessin heute anderes zu tun
hat, als deinen Erinnerungen zu lauschen.“
„Gut“, antwortete Franz Glimmer, „dann
mache ich es kurz, vielleicht die interessante
Episode, in der ich, einer der besten
Schauspieler des Landes, mit dem Stück, das wir
probten, nicht zufrieden war. Der Text passte
einfach nicht. Molière, müssen Sie wissen,
‚Tartuffe‘ oder ‚Der eingebildete Kranke‘, ich
kann mich nicht mehr recht besinnen, obwohl,
auswendig beherr-sche ich beide noch, weil,
einmal gelernt, vergesse ich nichts. Also: Der
Text wollte nicht recht passen, was einerseits
an der Übersetzung lag, aber natürlich auch an
Molières Schwäche, pointiert zu erzählen, sodass
ich mich entschloss, nicht nur den Text neu zu
übersetzen, sondern auch die Geschichte
litera-risch zu verbessern und die Handlung der
Zeit anzupassen. Also, förmlich aus einem Stück
Kohle einen Diamanten zu schleifen.“
Basil fühlte sich genötigt, einige Worte
der Anerkennung zu verlieren, die umgehend von
der Prinzessin mit einem leichten Tritt gegen
sein Schienbein und von Franz Glimmer mit der
Fortsetzung der Geschichte quittiert wurde.
„Die Übersetzung war so umwerfend, nicht
wahr, meine Liebe“ – die feine Kanariendame
nickte lächelnd – „dass ich mehrere Aufträge
erhielt, Molière in andere Sprachen zu
übertragen.“
„Und das waren nicht nur Vogelsprachen,
mein Lieber“, lächelte ihn die feine
Kanariendame an.
„Sicher nicht, meine Liebe, die Menschen
rissen sich um meine Übertragungen. War nicht
sogar Japanisch dabei? Dabei spreche ich kein
Wort Japanisch. Aber wenn man will, kann man
alles. Nicht wahr?“ Der grellgelbe Vogel schlug
Basil auf die Schulter. „Die einen können alles,
die anderen nichts. Ist doch so? Oder? Und ich
kann alles. Apropos alles können: Wie finden Sie
den Schnabel meiner Frau? Die Färbung? Passend
zu Augenfarbe und Gefieder? Auch von mir.
Schminken will gelernt sein. Nun, Sie wissen:
Einmal Theater, immer Theater, und da muss man
alles beherrschen, von der Garderobe bis zur
Regie. Und ich beherrsche bis heute alles.“
Die Prinzessin rollte mit den Augen,
achtete aber darauf, dass nur Basil dies sehen
konnte.
„Natürlich habe ich meine Frau
geschminkt, kurz bevor wir vor den Traualtar
getreten sind. An meine Frau lasse ich keine
zweitklassige Visagistin, keine abgehalfterte
Theatermuse, die ihr Gnadenbrot als
Maskenbildnerin fristet. Nein, da ist mir meine
Frau mehr wert: Nur das Beste, nur das
Großartigste, nur ich darf meine Frau schminken.
Und die Kleidung, die Wahl der Federn, die
Färbung? Natürlich von mir persönlich ausgesucht
…“
„Ihr Mann ist großartig“, wandte sich
Basil an die feine Kanariendame. „Von
ausgesuchtem Benehmen, Haltung und Sitte. Ihr
Mann weiß, was sich gehört.“
Die feine Kanariendame lächelte gnädig.
„Das Beste, nur das Beste“, nickte und
flüsterte der fette gel-be Vogel, wie um sich zu
bestätigen.
„Eine Frage gestatten Sie mir“, sprach
Basil den aufge-plusterten Vogel an. „Wie kommt
es, dass ein Kanarienvogel Finanzminister wird
und nicht eine Elster oder ein Rabe?“
„Nun, danke, dass Sie sich für mich und
das Vogelreich interessieren und mir gestatten,
die Frage zu beantworten.
Dass ich
Finanzminister, der jüngste, der je dem
Vogelreich vorstand, wurde, liegt natürlich
daran, dass ich bei den Men-schen BWL studiert
habe, dass ich nun weiß, wie man Geld anlegt,
wie man es vermehrt, wie man aus wenig mehr
macht, wie Wirtschaftsbereiche, die wenig Profit
abwerfen, abge-stoßen werden, dass Mitarbeiter
entlassen werden oder Ge-haltskürzungen in Kauf
nehmen müssen, wie die gesamte Vogelwelt zu
einem wirtschaftlich profitablen Unternehmen
umstrukturiert wird. Dinge, an die unsere
Vorfahren nicht dachten.
Führen Sie sich nur die alte Vogelwelt
vor Augen, wie sie noch vor einer Generation
existierte. Jeder Vogel machte das, was er gerne
tat. Der eine baute Nester, nur weil er es gut
konnte, verließ sie nach einer Brutzeit, baute
zur nächsten einen neuen Horst. Die alte
Wohnstätte wurde von Vögeln übernommen, die kein
Geschick im Bau von Nestern besaßen. Andere
Vögel wiederum fanden Gefallen an der Jagd und
erbeuteten mehr Fische, als sie verzehren
konnten, sodass sie anderen von ihrer Beute
abgaben.
So kam es, dass Vögel untereinander
spezielle Fähigkeiten anboten: Der Nestbauer
baute Nester und erhielt im Gegenzug frische
Fische, die Jäger von Mäusen und Hamstern gaben
Teile ihrer Beute ab und erhielten farbige
Federn, mit denen sie sich schmückten. Es gibt
Vögel, die warnen vor nahenden Ge-fahren, Vögel,
die legen Eier, die von anderen ausgebrütet
wer-den, bringen denen aber Würmer und Nahrung,
damit sie sich nicht aus dem Nest erheben
müssen.“
„Eine Hand wäscht die andere“, sagte
Basil, verbesserte sich aber schnell: „Mit einem
Flügel kann man nicht fliegen.“
„Das System funktionierte“, fuhr der
gelbe Vogel fort. „Jeder machte das, was er am
besten konnte, war glücklich und zufrieden. Und
das Beste: Die Gesellschaft war intakt, und da
jeder das tat, was ihn ausfüllte und glücklich
machte, gab es kaum Unzufriedenheit und
Straftaten.“
„Aber es hat sich etwas verändert?“,
vermutete Basil.
„Sie haben recht“, antwortete der Vogel,
„das ganze System war mir zu langweilig, zu
konservativ und irgendwie sozia-listisch. Wir
Vögel wollen einen vernünftigen Staat und nicht
das, was wir immer hatten, denn dann wären wir
das, als was wir immer beschimpft wurden, dann
hätten wir keinen Staat, dann wären wir Tiere.
Hätten wir unseren alten Vogelstaat
beibehalten, hätten wir heute kein Geld, keine
Wirtschaft, keinen Mehrwert; es wäre unmöglich
gewesen, Reichtümer anzuhäufen und zu Wohl-stand
zu kommen. Ich sage immer: Arbeit muss sich
lohnen, Müßiggang soll bestraft werden.
Sie sehen, nicht alles, was von den
Menschen kommt, muss schlecht sein.“
„Und Sie führten dieses Wirtschaftssystem
in der Vogelwelt ein?“
Franz Glimmer strahlte von einer Seite
seines Schnabels zur anderen. „Genau, ich, der
jüngste Finanzminister, den das Vo-gelreich je
hatte, habe in kürzester Zeit ein
marktorientiertes Wirtschaftssystem
eingerichtet. Fertig ist es noch nicht, da steht
noch eine Menge Arbeit an, aber wir Vögel
befinden uns auf dem richtigen Weg. Dieser Weg
ist ein menschlicher.“
„Und aus Protest gegen die
Vermenschlichung gibt es Terrorakte durch Vögel,
die Vögel bleiben wollen?“
Der Finanzminister verzog den Schnabel.
„Das ist sehr verkürzt gesehen. Wir übernehmen
doch nicht alles, was die Menschen für gut
befinden. Wir passen das Wirtschaftssystem den
Bedürfnissen der Vögel an.“
Basil schüttelte zweifelnd den Kopf, doch
der Finanz-minister fuhr mit seinen
Erläuterungen unbeirrt fort: „Vögel sind keine
Menschen und Menschen keine Vögel. Was für den
einen von Vorteil, kann dem anderen ein großer
Nachteil sein. So sind Münzen und Geldscheine
den Menschen ausgespro-chen nützlich; sie können
in Taschen, in Kuverts, in Porte-monnaies
gesteckt werden. Sie tragen nicht auf, können
ohne Probleme transportiert werden, können
versteckt werden, sind schnell zur Hand. Und
geschwind eingesteckt. Für uns Vögel sind Münzen
und Geldstücke nicht nutzbar – auch wenn einige
unserer Vogelgenossen hin und wieder eine
glitzernde Münze gestohlen haben sollen. Stellen
Sie sich Vögel vor, die Geldscheine oder -stücke
im Schnabel haben. Reden ist nicht möglich,
Fliegen kaum, ein geselliges Leben
unvorstellbar. Und dann: Wie soll man Handel
treiben, wenn kein Wechselgeld vorhanden ist?
Wie soll ein Verkäufer die ganzen Münzen zur
Bank bringen, die er am Tag erwirtschaftet? Ein
schwerwie-gendes Problem, wie Sie sehen. Münzen
scheiden also aus.
Ich musste ein Zahlungsmittel entwickeln,
das uns weder beim Laufen noch beim Schwimmen
oder Fliegen behindert, das wir überall vorlegen
können, das überall akzeptiert wird. Und da habe
ich mir etwas, wie es meine Art ist, Geniales
einfallen lassen: Die Federn.“
Franz Glimmer kniff selbstgefällig die
Augen zusammen, grinste verschlagen, erntete von
seiner feinen Kanariendame bewundernde Blicke,
von der Prinzessin ein Nicken und von Basil ein
Kopfschütteln.
„Was soll daran so neu sein, wie soll man
mit Federn, die doch jeder Vogel besitzt, ein
ökonomisches System errichten? Diese Fragen
stellen Sie sich zu Recht. Federn kennt man,
Menschen benutzen sie als Kopfkissen, Vögel als
Kleidung oder als Material, um ihr Nest zu
bauen, aber als Zahlungsmittel? Schauen Sie
hier“, der fette Vogel fischte eine Feder
hervor, die er in seinem Gefieder versteckt
hatte, „sie ist so klein, dass man selbst als
Kaufmann etliche davon mit sich führen kann.
Zwischen ihren natürlichen Federn können sie
erstaunlich viele fremde Federn mit sich führen.
Sie können sie auch als Schmuck nutzen, sich mit
fremden Federn schmücken, sie können, haben Sie
einmal mehr Federn zu zahlen, als sie
Fremdfedern mit sich führen, ihre natürlichen
als Reserve nutzen. Vögel sollten also nicht
über ihre Verhältnisse leben, denn dann könnten
sie eines Tages, nackt und federlos, nicht mehr
fliegen und müssten laufen. Aber: Die Federn
wachsen wieder nach. Gut, nicht?“
Basil, der mit Geld nicht viel am Hut
hatte, wusste nicht, was er sagen sollte. Das
ganze Unternehmen kam ihm albern und überflüssig
vor. Und ob es wirklich praktikabel war,
bezweifelte er. Um überhaupt etwas zu sagen,
meinte Basil: „Und wie sieht es mit dem Mehrwert
aus? Müssen Steuern gezahlt werden?“
„Aber sicher, mein junger Freund. Wie
soll ein Staat sonst überleben? Häuser müssen
errichtet, Straßen und Anflugbah-nen gebaut
werden. Ohne Steuern kann doch kein Staat
exis-tieren. Deshalb muss jedes Mitglied unseres
Staates zum neuen Jahr unser Finanzamt aufsuchen
und seine gesparten und natürlichen Federn
vorlegen. Ein Viertel wird dem Vogelstaat
überschrieben. Davon lebt unsere Gesellschaft.“
„Und was geschieht, wenn Federn gestohlen
oder ausgeris-sen werden? Können Federn nicht
von jedem Dieb als eigene ausgegeben werden?
Gibt es gar keine Legitimation?“
„In unserer Gesellschaft gibt es keine
Verbrechen“, antwor-tete der Finanzminister in
dem Augenblick, in dem die Hölle ausbrach.
Das Erste, an das sich Basil später
erinnerte, war der Lärm, der von einem auf den
anderen Moment einsetzte, das Schrei-en und das
Splittern von Glas, das Brechen von Metall und
Holz. Das Merkwürdigste aber war die Stille, in
die sich Basil bei all dem Lärm zurückgezogen
fühlte. Da war nichts, was ihn belastete, er
sah
die Vögel schreien, um Hilfe rufen, er
sah
den Lärm, den zerberstende Stühle und Tische
erzeugten, er
wuss-te,
dass die aufgerissenen Schnäbel der Angreifer
Befehle riefen und Flüche ausstießen. Hören aber
konnte er den Lärm nicht.
Doch dies war nur ein Augenblick, der den
Bruchteil eines Wimpernschlages dauerte. Dann
setzte auch für Basil der Lärm ein … und
Bewegungen. Vögel sprangen auf, als zwei große
Habichte aus der Höhe auf die kleine Terrasse
stießen und, fast zeitgleich, ein Kolkrabe aus
der geöffneten Schiebetür, die ins Innere des
Cafés führte, sprang und mit seinen starken
Flügeln Vogeldamen, Stühle und Tische umstieß
und wie eine Kano-nenkugel auf Marcia und Basil
zustürzte. Gläser und Schalen zersprangen auf
dem harten Boden. Die Wellen kräuselten sich
weiß auf dem Blau des Meeres, der Himmel schien
unerbitt-lich, und der Kolkrabe kam immer näher.
Basil sprang auf, stolperte und
versuchte, sein Gleichge-wicht zu finden. Er
griff nach einem Stuhl und schleuderte ihn –
weit ausholend – dem vorwärts stürmenden Raben
entgegen, den er am Flügelansatz traf. Der
Kolkrabe taumelte, verlang-samte sein Tempo nur
unmerklich, schüttelte den Kopf und visierte die
Prinzessin an, die vor Schreck unbeweglich auf
ihrem Stuhl saß. Basil, keinen Augenblick zu
früh, warf sich zwischen Kolkraben und Marcia.
Alle drei stürzten zu Boden. Die beiden
angreifenden Habichte krächzten etwas, das Basil
nicht verstehen konnte. Er sah aber, wie sie den
überrum-pelten Gästen des Cafés Flügeltaschen,
Halsbeutel und Federn vom Leibe rissen und mit
weit ausgebreiteten Schwingen in den blauen
Himmel aufstiegen.
Der Kolkrabe, ein Riese und an Kraft der
Prinzessin weit überlegen, packte sie im Nacken
und versuchte, sie mit sich zu zerren, doch
Basil, kaum Herr seiner Sinne, schlug mit einer
Karaffe nach dem Vogel, verfehlte zwar den Kopf,
traf aber den Flügel empfindlich. Der Vogel
schrie vor Schmerzen auf, schüttelte sich,
plusterte sein Gefieder auf, starrte Basil
hass-erfüllt an, griff behände nach der teuren
Tasche der Prinzessen und entschwand wie seine
beiden Mitverschwörer im blauen Himmel.
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