Es ist ein seltenes Glück, Aufzeichnungen wie
die von Jacques-Louis Ménétra, der am 13. Juli
1738 als Sohn eines Glasermeisters in Paris
geboren wird, heute in Händen halten zu können.
Obgleich ein großer Teil der Pariser Bevölkerung
um die Mitte des 18. Jahrhunderts bereits lesen
und schreiben konnte, wurden diese Fähigkeiten
doch meist zu geschäftlichen oder anderen
offiziellen Zwecken eingesetzt. Niederschriften,
in denen ganz bewusst Persönliches und Intimes
für die Nachwelt festgehalten ist, sind hingegen
rar – ebenso wie der Umstand, dass sie uns
vollständig und unversehrt erhalten geblieben
sind.
Mit Ménétra lernen wir zunächst das
vorrevolutionäre Paris kennen und auch die
französische Provinz. Nachdem er als Elfjähriger
die Lehre im väterlichen Betrieb begonnen hat,
geht er 1757 auf Gesellenwanderung durch halb
Frankreich. Er ist ein abenteuerlustiger junger
Mann, dem Alter und Stand keine Grenzen zu
setzen scheinen, vor allem innerhalb der
Damenwelt, wo er unzählbare Eroberungen macht,
selbst unter dem Adel – sein Zeitgenosse Giacomo
Casanova wirkt dagegen geradezu blass. Er
beweist Kultur- und Naturinteresse, wenn er
Sehenswürdigkeiten besucht und sich für die ihm
unbekannten Landschaften begeistert. Und er ist
mutig und äußerst sportlich. Kein Gegner kann
ihn mit dem Degen oder auf dem Tennisplatz
bezwingen.
Mutig und entschlossen stellt er sich auch den
alltäglichen wie geschichtlichen
Herausforderungen seiner Zeit, sei es an Bord
eines königlichen Kaperschiffs im Siebenjähigen
Krieg, im Brandeinsatz bei der Pariser Feuerwehr
oder 1792 bei der Erstürmung des Palais des
Tuileries, der letzten Wohnstätte der
königlichen Familie.
Ménétra nimmt uns mit auf eine rasante Reise
durch ein turbulentes Leben in einer
pulsierenden Weltmetropole und in unruhigen
Zeiten. Das „Tagebuch“ liest sich so spannend,
dass man es nicht mehr aus der Hand legen
möchte.
Günter Berger, Dr. phil., war von 1986 bis 2012
Professor für Romanische Literaturwissenschaft
an der Universität Bayreuth. Er ist Autor
zahlreicher Publikationen zur französischen
Literatur der Aufklärung, darunter zur
Enzyklopädie, zur populären Kultur im Frankreich
der Frühen Neuzeit, vor allem zur Bibliothèque
Bleue, die mittelalterliche Erzählungen für ein
breites Publikum bereitstellte, und zum
Memoirenroman dieser Epoche, in dem sich Fakten
und Fiktionen munter mischten.
Leseprobe: Tagebuch meines Lebens, S. 210–224
Eines Abends, als ich vom Abendessen bei meiner
Witwe zurückkam und mich von meinem Schwager
getrennt hatte, sehe ich, als ich an der Rue
Montmartre vorbeikomme, einen Mann, der aus
einem Hauseingang herauskommt, ein Mädchen am
Arm gepackt hält und es unter Drohungen vor die
Tür setzt. Es war spät. Ich gehe näher und sehe
ein Mädchen in Tränen aufgelöst. Ich tröste sie
und sage zu ihr, dass sie, wenn sie es wünsche,
in aller Sicherheit mit mir kommen könne. Sie
zögert. Endlich entschließt sie sich, und ich
nehme mein Hühnchen mit und vergrößere noch
einmal meine Familie. Die Kleine verdiente wohl
meine Aufmerksamkeiten. Sie war reizend. Ihr
Vater war ihren Behauptungen nach ganz vom Typ
des meinen. Wenn er getrunken hatte, schickte er
sie fort zu den Verwandten ihrer Mutter, die
Waise war. Nachdem ich sie gut hatte frühstücken
lassen, ging sie zu ihren Verwandten und gab mir
das feste Versprechen, mich besuchen zu kom-men
–, was sie hielt. Sie war die Sanftmut selbst.
Das zeigte mir, wieviel Schuld Väter durch ihre
Trunksucht am Verderben ihrer Kinder haben. Als
ich meine Jugendstreiche niederschrieb, habe ich
sie nicht ohne Prahlerei, ohne Moralisieren und
ohne Reflexion niedergeschrieben.
Als ich eines Morgens auf den Boulevards
spazieren ging, bemerke ich zufällig die junge
Pinard, die sich mir sehr freundlich zeigt und
sagt, dass sie sich erkundigt hat, wo ich sein
könne, aber dass all ihre Nachforschungen
erfolglos gewesen seien. Sie war prächtig
gekleidet. Sie schlägt mir vor, in eine Kneipe
zu gehen. Wir gehen zu Erklärungen über: Ihr
Vater hat den Laden verkauft. Eines Tages, als
er betrunken war, hat er sich den Arm gebrochen,
an dem ich ihm das Handgelenk gebrochen hatte.
Es ist zu einer Entzündung gekommen; er war ins
Hôtel-Dieu290 gegangen, und man hatte
ihn ihm abgenommen. Aber sie wollte mir nicht
den gemeinen Beruf sagen, den er ausübte. Ihre
Mutter sei mit einem guten Bauern auf dem Land
zusammen; ihre Schwester sei mit einem gewissen
Jouanin, einem Uhrmacher, nach Lyon
fortgegangen. Was sie angehe, so sei sie dabei,
mit ihrem Zuhälter, der gewaltig reich sei, ins
Ausland zu wechseln. Ich wollte ihr vorher noch
einmal zu erkennen geben, worin ich mich
auskannte,291 bevor ich ihr Lebewohl
sagte, indem ich sie auf mein Zimmer mitnahm,
was sie huldvoll annahm. Und so sagte ich ihr
Lebewohl wie auch ihrer liebenswürdigen,
ausgezeichneten Familie.
Ich ging Monsieur Murat, den Kommandanten der
Feuerwehr wieder besuchen, von dem ich gut
empfangen wurde und der mir sagte, dass er eine
Reform machen und die Truppen der Feuerwehr in
ihrem Ansehen stärken würde und dass jeder
Feuerwehrmann über seiner Tür ein Schild mit der
Inschrift „FEUERWACHE DES KÖNIGS“ in
Großbuchstaben haben müsse. Ich erhielt meinen
Posten zurück, mit denselben Zuwendungen wie
zuvor.
Mein Vater erhielt einen Einladungsbrief – wie
auch einen für mich – eines meiner Cousins
mütterlicherseits, der seine erste Messe in
Notre-Dame in der Chapelle de la Vierge hielt,
wo er Chorknabe gewesen war. Und er war zum
Schlosskaplan des Herrn Bischof von Lombez292
ernannt worden. Da wir oft zusammen Streiche
gespielt hatten, erkannte ich sofort, dass es
bei ihm mehr um Ehrgeiz als um religiöse
Überzeugung ging – nach all den Albernheiten,
über die wir uns zusammen amüsiert hatten, und
dass er diesen ganzen Mysterien keinerlei
Glauben schenkte und sie als reines Menschenwerk
betrachtete, alles aus Unwissenheit erfunden und
durch Lüge als Glaubensartikel gestärkt. Da ich
mir in dieser Schrift keine Reflexionen
gestattet habe, will ich keine weiter machen.
Alle meine Verwandten schauten ihm beim Lesen
der Messe mit einer Andacht zu, die bis zur
Anbetung ging. Ich aber, ich dachte ganz
anderes. Ich war nie ein Glaubensfanatiker, ich
habe niemals geglaubt und werde niemals glauben,
dass irgendein Wesen auf der Erde imstande ist,
nach seinem Willen einen Gott auf seinen Altar
hinabsteigen zu lassen und ihn
hinunterzuschlucken; genauso wie ihn einem zu
geben, dessen Schlund kräftig genug ist, um
ihren Gott zu verdauen. Das übersteigt das
Vorstellungsvermögen eines jeden vernünftigen
Menschen. Von daher haben sie recht, dauernd
diese Worte im Munde zu führen: „Selig die Armen
im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.“293
Ich ging zur Begrüßung in die Sakristei. Er
lächelte mich an und hielt mich an der Hand
fest, damit ich an der Mahlzeit teilnähme, wo
ich mich unter Pfaffen befand, die mehr als wir
zu Scherzen aufgelegt waren. Ich wusste, dass er
diesen Besuch erwidern würde. Er sagte zu mir:
„Cousin, ich wusste nach deinem Umzug vom
Kloster Saint-Germain nicht, wo du wohnst;
deswegen habe ich die Einladung an deinen Vater
adressiert, und wir werden uns wiedersehen“, was
auch geschah.
Er kam den folgenden Sonntag im Wagen des
Bischofs von Lombez. Ich hatte zu meiner jungen
Schwester gesagt: „Bereite eine Abendmahlzeit
vor!“ Und wir trafen uns als wahre Freunde
wieder. Er ließ mich wissen, dass er diesen
Beruf eher aus Ehrgeiz denn aus religiöser
Überzeugung und zu Gunsten eines ruhigen Lebens
ergriffen habe; dass er seine Genüsse gehabt
habe – und dass er, sagte ich zu ihm, die
Dummheiten der anderen hören werde. Er sagte zu
mir: „Cousin, das ist der weiseste Entschluss,
den ich gefasst habe, es ist der Beruf, in dem
der Mensch ohne Mühen und Sorgen leben kann. Ich
werde unverzüglich nach Lombez aufbrechen. Ich
hoffe, du wirst es so machen wie ich, wenn auch
auf andere Weise, wenn du dich etablierst. Ich
habe dir keine Ratschläge zu geben. Erlaube mir
die, welche du mir manchmal gegeben hast; trotz
unserer verrückten Streiche haben wir niemals
die Grenzen der Ehre überschritten. Ich wünsche
dir gutes Wohlergehen. Das ist das, was du
verdienst. Was deinen Glauben betrifft, so geht
das nur dich etwas an. Du hast dich immer über
die Vorurteile erhoben. Du betest zu Gott. Du
tust deinem Nächsten nichts Böses, du bist ein
Menschenfreund. Das ist es, was wirklich zählt.“
Wir sagten uns liebevoll und gerührt Lebewohl –
es war das letzte, denn er starb in Lombez zehn
Monate darauf.
Ich hatte mir gesagt, dass ich mir keine
Reflexion mehr gestatten würde, ich kann nicht
umhin: Ein Mann wie mein Cousin, ohne Mühen,
alles nach Wunsch, ohne jede Arbeit, gutes
Trinken und Essen, eine gute Tafel, dem alles
nach Wunsch geht, der von den Frömmlerinnen
geliebt wird, der Geschenke bekommt, geliebt und
geschätzt von seinem Bischof: Dieser Mann stirbt
in der Blüte seiner Jahre in dem Moment, wo er
eine glänzende Karriere machen kann, während
andere in seinem Alter sich gezwungen sehen,
alle Mühen des Lebens auf sich zu nehmen, um zu
existieren und trotz der Beschwernisse und
Kümmernisse, die mit ihrer Existenz verbunden
sind, zu leben.
Ich suchte ohne Ende meine Bekanntschaften, von
denen viele wegen meiner Abwesenheit
fortgegangen waren. Meine kleine
Blumenverkäuferin hatte einen Sattlergesellen
geheiratet. Mir half das schön aus der Klemme.
Die Familie Pinard war von der Bildfläche
verschwunden. Meine Wäscherin ließ mich in Ruhe.
Meine Kindererzieherin besuchte mich
gelegentlich bei einer ihrer Tanten – aber mit
Umsicht. Meine kleine Brünette aus der Rue
Montmartre störte mich gar nicht. Aurore war
immer noch in Pension. Eine Kammerfrau namens
Ompha-le, die bei der Marquise de Lansedine
wohnte, war die, welche am meisten hinter mir
her war. Und die hübsche Tochter von Élophe, die
sich erkundigte, als ich so tat, als wäre ich
fort, und die mich mit Hilfe ihres Bruders
entdeckte; und sie traf mich bei Gaudon oder
Nicolet, wohin wir immer zu einer kleinen
Mahlzeit gingen; denn darin war sie ihrem Vater
ähnlich: Sie war ein Leckermaul. Meine übrigen
Bekanntschaften zweiten Ranges ließen mich
völlig in Ruhe, da sie mich immer noch auf dem
Land glaubten. Einzig zu meiner Witwe ging ich
jeden Abend zum Essen, und sie gestattete mir
überhaupt nicht, bei ihr zu übernachten, wegen
ihrer Leute, die ähnlich wie sie annahmen, dass
ich mit ihr in ernsthafter Absicht verkehrte.
Was meine Freunde angeht, so war ich zu ihnen
wie immer und wandte häufig den Grundsatz an „Wo
Zwang ist, ist kein Vergnügen“. Ich dachte
daran, zu arbeiten. Ich verdiente, und doch ging
es mir deswegen nicht besser, ohne dass ich
allzu ausgabefreudig war. Schließlich waren
meine 120 Laternen fertig. Sie gaben mir noch
einmal sechzig in Auftrag, und ich sagte zu
Mutter Vilmont – denn Vater Vilmont war kindisch294
geworden –, dass ich sie nicht zu weniger als
drei Livres pro Stück machen würde.
Eines Abends brach in der Rue de Saintonge295
Feuer aus. Ich renne hin. Ich hatte weder
Feuerwehrkleidung noch -ausrüstung. Niemand kam
[zu Hilfe]. Ich gebe mich zu erkennen. Ich
bewaffne mich mit einem Strick. Das Feuer war im
dritten Stock ausgebrochen. Es gab keinen
Hintereingang. Die Treppe war im Vorderhaus und
brannte. Ich finde eine Frau und ein Kind auf
einem Dachboden, alle beide eingeschlafen. Ich
wecke sie auf. Sie ersticken fast vor Rauch und
Angst. Ich mache meinen Strick an einem
Querbalken fest. Ich sage der Frau, sie solle
den Strick packen und sich so wie ich
hinunterrutschen lassen. Ich nehme das Kind. Ich
binde es mir mit meinem Tuch um den Hals, wobei
es nackt ist. Gesagt, getan. Und schon bin ich
hinuntergerutscht. Man stürzt sich auf mich. Man
befreit mich von der Last. Die Frau fällt zum
Glück auf Heu und ist ohnmächtig. Meine
Kameraden von der Feuerwehr erkennen mich. Alle
beglückwünschen mich dazu, der Mutter und dem
Kind das Leben gerettet zu haben. Monsieur Morat
trifft zu Pferd ein. Er will mich sprechen. Er
stellt mich dem Kommissar vor, der mir Fragen
bezüglich des Feuers stellt. Ich erkläre die
Sache, und da ich sehe, dass man mir Komplimente
machen will, mache ich mich davon und laufe zu
meiner Witwe, wo ich meinen Schwager antreffe,
der nicht wusste, was aus mir geworden war. Da
ich von Natur aus ungern Glückwünsche
entgegennahm und noch weniger gern darauf
antwortete, hatte ich diesen Entschluss gefasst.
Und so habe ich es immer gehalten, dass ich gern
Gutes tat, aber dennoch mich nur ungern zu
erkennen gab. Das war immer einer meiner
Grundsätze.
Ich begann, mir wieder Vorräte anzulegen. Ich
hatte meine Truhe von meinem Freund Baron
zurückgeholt, dessen Frau ihm abgerungen hatte,
Paris zu verlassen, um seinen Beruf als Wundarzt
weiter in einem ärmlichen Dorf auszuüben, wo er
vor Kummer starb.
Ich ging eines Tages meinem Vater Guten Tag
sagen, der mir einen anonymen Brief aushändigte,
in dem ich die Schrift von meiner Aurora der
Nacht erkannte, die mir kundtat, dass sie zu
zwei Jahren Salpêtrière verurteilt worden war
und dass sie mit einiger Hilfe, die sie von
meiner Seite erwartete, entwischen könne. Ich
erhielt unter falschem Namen eine
Zutrittserlaubnis und kam mit Lenoir überein,
sie entwischen zu lassen. Ich lieferte ihr die
Mittel dazu: Die Wäscherinnen des Hauses kamen
zwei Mal die Woche zu zwölft heraus, um
frühmorgens zur Waschstelle zu gehen, jede mit
einer Kiepe Wäsche auf dem Rücken. Sie hatte
mehrere von diesen Frauen bestochen. Sie
verständigte mich durch eine Frau des Hauses,
die in Saint-Eustache um Almosen betteln ging.
Als der Tag gekommen war, hatte ich Lenoir und
den Jungen von der Samaritaine benachrichtigt,
und vor Tagesanbruch waren wir mit einem Kahn in
der Nähe der Waschstelle der Wäscherinnen. Sie
erblickte uns und entwischte trotz der
Argusaugen der Aufpasser, indem sie über das
Stapelholz lief; wir nahmen sie in unserem Kahn
in Empfang und landeten mit Ruderkraft an der
Samaritaine.
Wir hatten ihr vorsichtigerweise einen Gehrock
und einen Hut angezogen, ich brachte sie auf
mein Zimmer und ging ihre Sachen holen, die sie
bei einer ihrer Freundinnen untergebracht hatte.
Durch eine Unbekannte schickte sie die Sachen
des Hauses zurück an die Frau, die an der
Kirchentür von Saint-Eustache war; und ich
begann wieder, mit ihr zusammenzuleben wie
zuvor. Dieses Handeln ihr gegenüber hatte sie
mir sehr gewogen gemacht. Sie zeigte mir ohne
Unterlass ihre Dankbarkeit. Ihre Freundschaft
war völlig unzweideutig, und ich bin sicher,
dass ich sie geheiratet hätte, wenn es mir nicht
um meine Ehre gegangen wäre. Sie wäre treu
gewesen und es geblieben. Sie war also
gezwungen, wieder damit anzufangen, und ich,
mich angesichts ihrer Zuneigung von ihr so sanft
wie möglich zurückzuziehen.
Monsieur Morat, der Kommandant der Feuerwehr,
schrieb mir, dass ich kommen solle, um mit ihm
zu sprechen, und dass er mir eine Angelegenheit
mitzuteilen habe. Ich kam also seiner Einladung
nach. Er sagte mir etliche Schmeicheleien und
trug mir auf, viele junge Leute wie mich
aufzutreiben, besonders Arbeiter aus dem
Baugewerbe, wie Dachdecker, Zimmerleute und
andere; er habe in seiner Truppe nur Schuster
und Sattler, und das seien überhaupt keine für
diesen Beruf ausreichend mutige Männer. Ich
antwortete ihm, dass ich ihm, wenn er mir die
Schläuche überlasse – das heißt, den Posten des
Brigadiers gebe –, mehrere Arbeiter aus dem
Baugewerbe besorgen würde. Er gab mir zu
verstehen, dass es in der Truppe ältere gab als
mich. Da ich seit einiger Zeit bereit war, mich
niederzulassen, ging das auf keinen Fall, und
ich sagte vielen Dank. Er brachte mir dazu viele
Argumente vor und ließ mir dann durch Segrestier
und einen gewissen Dieu ausrichten, dass er sie
mir gewähre. Doch mein Entschluss stand fest,
und ich erschien nicht wieder, denn man begann
damit, feste Einheiten zu bilden.
Eines Morgens, als ich auf den Boulevards du
Temple296 spazieren ging und auf
Chaumont297 wartete, stand da eine
Kutsche, und ich ging spazieren. Ich hatte wohl
rufen hören, als mich ein Diener am Arm fasste,
damit ich käme, um mit seinem Herrn zu sprechen.
Ich bin da. Ich sehe einen ordensgeschmückten
Mann, den der Diener mit Monseigneur anspricht,
der mich fragt, ob ich nicht vielleicht
Laufbursche sei. Ich antworte mit Nein. Er
schlägt mir vor, seiner zu werden und in die
Kutsche zu steigen. Ich sage zu ihm: „Ich
verstehe Sie, aber ich laufe hinter den Mädchen
her, und hinter nichts anderem. Adieu.“ Und ich
ging weg und machte mich über ihn lustig.
Chaumont trifft ein. Ich erzähle ihm die
Geschichte, und wir verhöhnen ihn. Das war das
letzte Mal, dass ich mit ihm zum Trinken war,
denn er starb einige Tage danach. Er war ein
sehr guter Harlekin, obwohl er weder lesen noch
schreiben konnte. Er hatte ein gutes Gedächtnis,
und seine Frau brachte ihm seine Rollen bei. Man
trauerte um ihn, und Carlin sah ihn als Kollegen
an.
Eines schönen Abends, als ich in mein Zimmer
heimkehrte und dabei durch das Kutschentor ging,
um nicht da vorbeizugehen, wo ich arbeitete, war
das Haus von einem Kutschenverleiher bewohnt,
der eine hübsche Köchin hatte, die, wie man so
schön sagt, wusste, wie der Hase lief, und nicht
das Rührmichnichtan spielte. Ich finde sie am
Tor. Ich scherze. Wir werden warm miteinander.
Wir kommen zur Sache. Wir fühlen uns [aber hier]
nicht wohl. Alle sind heimgekehrt. Ich packe
sie, finde einen Stall offen. Schon sind wir
drin. Wir sind an dem Punkt, wo wir im siebenten
Himmel sind, als wir einen Teufelslärm hören:
Die Eigentümerin, die nach dem Mädchen ruft, ein
Kutscher, der den Riegel der Tür betätigt. Zum
Glück erinnerte ich mich, dass ich verriegelt
hatte. Das Mädchen verliert nicht den Kopf, ruft
noch lauter, dass alle heimgekehrt seien, dass
er schlafen gehen könne, dass sie daran schuld
sei, dass sie das Licht der Stalllampe anzünden
wollte, dass alles verloschen sei, dass sie,
statt die Tür zu öffnen, sie habe zugehen
lassen, dass er in die Küche gehen solle, um
Licht zu holen. Währenddessen schlüpfe ich
hinaus. Da ist die Eigentümerin auf dem Hof. Ich
spiele das Unschuldslamm und erzähle Märchen –
und alles läuft nach Wunsch. So wurden wir bei
unseren Liebesgeschäften nicht mehr gestört. Sie
kam durch meinen Laden und von dort in mein
Zimmer, und alles lief wunderbar, morgens
genauso wie abends.
Wenn ich Gesellschaft hatte, war die Tür
geschlossen, und man konnte mich nicht jeden Tag
besuchen, denn sie kam oft vor Tagesanbruch mit
einem Schluck. Ich machte sie glauben, dass mein
Schwager oder irgendwelche Freunde gekommen
waren, um bei mir zu übernachten, obwohl sie
schlau genug war, um nicht darauf
hereinzufallen. Doch weil ich der Maxime „Wo
Zwang ist, ist kein Vergnügen“ folgte, musste
sie sich anpassen wie die anderen; denn ich
wusste, dass ich nicht der Einzige war, dem sie
ihre Gunst gewährte: Ihr Herr verpasste keine
Gelegenheit. So sagte er, wenn er kam, um mich
meine Laternen anfertigen zu sehen, und wir
gelegentlich miteinander tranken, im Scherz zu
mir – denn er war ein lustiger Vogel –, dass wir
mehr als Freunde seien und dass er in meinem
Alter versucht habe, dasselbe zu tun wie ich,
weil er bemerkt habe, dass sie immer bei mir im
Laden zu tun habe. Und ich tat dabei so, als
verstünde ich nicht.
Mein Schwager mit seiner illegitimen Ehe bat
mich um Hilfe, damit er sich über Wasser halten
könne. Und so gab ich ihm 35 Sous am Tag und
kehrte nicht mehr zu meiner Witwe in der Rue de
Clichy298 zurück und verließ sie
endgültig. Das war mir allzu hinderlich. Das
nahm allzu große Ausmaße an. Das passte nicht zu
meinem Charakter, und ich habe nie die Liebe auf
spanische Art299 geliebt.
Eines Sonntags, als ich mit Aurora zusammen war,
die zu dieser Zeit die gefragteste Hure an der
Porte Saint-Denis300 war, wo alle
Zechbrüder hingingen, traf ich am Schild des
Bois de Boulogne mehrere meiner Bekanntschaften.
Als wir bei Tisch waren, forderte man meine
Göttin zum Tanzen auf. Als sie zum Tisch
zurückkam, fing eine andere Frau, der sie auf
den Fuß getreten war, an, blöde Sprüche gegen
sie auszustoßen, und Aurora entschuldigt sich
sofort, denn sie war recht höflich und
ehrerbietig. Das Weib knurrte nur. Ich sage:
„Jetzt ist es aber gut, das regt mich auf.“ Ein
gewisser Frémont, der Trommler bei der
Stadtwache war, will Partei ergreifen. Ich sage
zu ihm: „Frémont, wir kennen uns.“ Er will den
starken Mann markieren. Schimpfworte von beiden
Seiten. Er sagt, er werde mich zur Raison301
zu bringen wissen. Meine Freunde wie auch die
seinen ergreifen Partei. Er sagt zu mir, wir
sollten vor die Tür gehen. Ich gehe vor die Tür.
Man folgt uns. Er verlangt nach einer
Aussprache. „Die einzige Aussprache, die ich
jetzt mit dir zu halten habe, ist, uns zu
duellieren“[, sage ich]. Zufällig war der Sohn
eines Küsters von Saint-Eustache da, der seine
Flamberge302 mithatte. Er händigt sie
mir aus. Die Frauen mischen sich ein, wollen uns
daran hindern. Wir waren im Garten. Ich sage zu
ihm: „Komm in die Rue Basse303.“ Man
folgt uns. Sein Bruder eilt herbei, da er an der
Hand verletzt ist, was ich ihm eben gesagt habe.
Er blieb stur. Man trennt uns. Der Bruder sagt
zu mir, dass er mein Freund ist und dass ich den
Tanz sehen werde, den er mit dieser Streithenne
veranstalten wird. Wir kehren zurück. Ein paar
Ohrfeigen und Tritte in den Arsch und ein
Rausschmiss beenden die Geschichte. Er war nur
leicht an der Hand verletzt, und wir verbrachten
den Abend zusammen.
Mein Laternenbau schritt voran, als Monsieur
Vanier, der Inspektor für die Laternen,304
mich aufsuchen kam und mich fragte, ob ich noch
weitere hundert zu machen wünsche, um sie im
Marais aufzustellen, da sie allzu weit
auseinander stünden, und damit sie die Machart
hätten, die er wünschte, sollten sie von meiner
Hand gemacht werden, und mir würde es an nichts
fehlen. Und so übernahm ich die Fertigung und
baute sie im Lager von Vater Vilmont, dessen
gute Frau keinen Tag das Abendbrot verpasste, da
sie gern ihren Schluck zu trinken mochte. Sie
war eine gutmütige Frau.
Eines Tages begegnete ich meiner Waschfrau von
früher, die mit einem Sattlergesellen
verheiratet war. Sie ist sehr freundlich zu mir,
lädt mich ein, in der Rue des Gravilliers zu ihr
hochzukommen, um, wie sie sagte, ihre Wohnung
anzuschauen. Ihre Nachbarin bereitet mir einen
guten Empfang, und sie sagt zu ihr: „Das ist die
Person, von der ich Ihnen ein paar Mal erzählt
habe.“ Schon sind wir eingetreten. Doppelt
verriegelt. Wir waren bei einer sehr
interessanten Unterhaltung, als wir es an die
Tür klopfen hören. Es ist der Hausherr. Ich
hatte kein bisschen auf einen Wolfsspitz Acht
gegeben, der schnüffelte und roch, dass es sein
Herr war, und bellend zur Tür lief. Er sagte
sich, meine Frau ist doch im Zimmer. Er ruft.
Keine Antwort. Die Nachbarin öffnet die Tür,
versichert, dass sie sie nicht hat heimkehren
sehen. Er behauptet steif und fest, dass sie im
Zimmer ist, da sein Hund drin ist, und dass er
merkt, dass der Riegel vorgeschoben ist, dass
seine Frau sich bestimmt unwohl gefühlt hat. Die
hilfsbereite Nachbarin rät ihm, einen Schlosser
holen zu gehen. Er klopft hartnäckig weiter.
Schließlich macht ihn unsere hilfsbereite
Nachbarin darauf aufmerksam, dass es in ihrem
Zimmer eine Tür gibt, die in das seine führt,
die nur mit einigen Nägeln befestigt und
abgedichtet ist. Er stimmt zu, ohne seine Tür
aufzubrechen, und macht sich daran, diese Tür
abzubauen. Ich mache auf und gehe vorsichtig
hinaus – nicht so, wie ich eingetreten bin. Sie
ist so geistesgegenwärtig, den Hund
zurückzuhalten. Die Tür schließt sich wieder,
und schon bin ich wieder aus der Patsche heraus.
Am Tag darauf ging ich diese entgegenkommende
Nachbarin besuchen, um mich über den Ausgang der
Geschichte zu informieren. Das Ganze war sehr
gut abgelaufen: Sie war ohnmächtig auf einem
Stuhl angetroffen worden und hatte ihre Rolle so
gut gespielt, dass der Ehemann die Sache sehr
gut aufgenommen hatte. Ich dankte dieser
reizenden Nachbarin, die mir keineswegs der
Liebe abgeneigt schien, und ich suchte mich bei
ihr einzuschmeicheln. Sie vertraute mir an, dass
sie von einem Weinhändler ausgehalten wurde; von
daher hatte sie gute Weine, und ich half dem
guten Mann, seinen Keller zu leeren und seine
Geliebte auszunutzen, ohne freilich meine
Sattlerin in allzu schlechte Laune zu versetzen.
Da ich immer dankbar gewesen bin, erinnerte ich
sie daran, wie sie uns durch ihre Umsicht aus
der Patsche geholfen hatte.
Eines Tages kam mich mein alter Kamerad Bussie
besuchen, den sein Meister geschickt hatte, um
mich zu fragen, ob ich für ihn eine
Kom-missariatslaterne machen wolle. Die Laternen
waren aus buntem Glas mit Mustern. Ich ging mit
ihm zu Herrn P... . Wir vereinbarten einen Preis
von dreißig Francs, nachdem ich ihm eine
gezeichnet hatte. Seine Gattin gab uns eine
Erfrischung und fragte mich, wo ich arbeitete.
Ich sagte es ihr und ging. Einige Tage später
sehe ich Bussie in Begleitung seiner Meisterin
kommen, um zu sehen, ob ich diese Laterne
machte. Ich zeigte ihr diese Stücke, die zum
Teil geschnitten und geölt waren. Sie schien
zufrieden. Sie war reizend, gut gekleidet; sie
war früher eine Hure. Sie lädt mich ein zu
kommen, um mich zu erfrischen. Ein Blick von
Bussie lässt mich erkennen, dass sie zusammen
intim sind. Wir frühstücken.
Gegen Ende verlässt uns Bussie und sagt, dass er
zurückkommen werde. Da ich gesehen hatte, dass
er sich bei ihrer Unterhaltung nicht besonders
vor mir geniert, sagte ich zu ihr, als ich mit
ihr allein war, dass ich bemerke, dass mein
Freund ihre Gunst genieße. Und ich sagte ihr das
so, um mich bei ihr auf sanfte Art anzumelden
und einzuführen. Nach ein paar netten Worten
meinerseits sagte sie mir, dass Bussie mit ihr
über mich gesprochen habe, dass er ihr etliche
meiner Eskapaden erzählt habe und dass ich
flatterhaft in der Liebe sei. Ich antwortete
ihr, dass sie mich auf die Probe stellen solle
und dass sie dann sehen würde, dass ich nicht so
unbeständig sei, wie man mich darstellt. Das
machte mich ein wenig missmutig auf Bussie, und
ich hatte große Hoffnung, dass Frau P... das
Opfer sein würde. Sie sagte zu mir, dass es in
dieser Straße eine ihr bekannte Dame gebe und
dass sie sehr erstaunt wäre, wenn sie sie mit
zwei jungen Leuten wie uns sähe, und dass sie
sie häufig besuche. Ich lud sie ein, die
Laterne anzuschauen. Sie lächelte mir zu, und
ich drückte ihr die Hand. Sie reagierte darauf.
Unterdessen kam Bussie, und ich sah einige
Anzeichen und eine besorgte Miene bei ihm. Da
ich mich in der Welt auskannte, ging ich hinaus,
damit sie einander mitteilen konnten, was es zu
bereden gab. Ich kehre zurück; ich sehe einen
gut gedeckten Tisch; ich tue ihm alle Ehre an.
Zwischen uns dreien herrscht gute Laune. Ich saß
neben der Dame; von Zeit zu Zeit drückte ich ihr
die Knie. Man tat so, als ob man nicht darauf
achte. Wir trennten uns, und sie ließ mich dabei
wissen, dass sie, wenn sie ihre Freundin
besuchen komme, sie sich erkundigen komme, ob es
mit der Laterne vorangehe.
Ich nahm das auf, wie ich es aufzunehmen hatte;
aber am Abend des folgenden Tages sah ich Bussie
kommen, der mir sagte, dass sein Meister ihn
hinausgeworfen habe, weil er ein Besäufnis
veranstaltet habe. Ich frage ihn, ob er weiß,
dass es mit seiner Frau war. Er sagt zu mir,
dass er es nicht weiß. Ich frage ihn, was er
seiner Meisterin Besonderes zu sagen gehabt
habe. Er zögert; schließlich sagt er zu mir,
dass er für das Frühstück, das wir gemeinsam
veranstaltet hatten, die Granathalskette seiner
Meisterin in Pfand gegeben habe. Ich rege mich
auf. Er sagt zu mir, dass es nicht das erste Mal
ist, dass es zwischen ihnen ganz vorbei ist, und
dass er wohl bemerkt habe, dass sie ein Faible
für mich hat; dass sie alle diejenigen mag, die
wie ich zu Liebeleien neigen, und dass er ganz
sicher sei, dass sie mich binnen Kurzem besuchen
kommen würde. „Na gut“, sage ich, „auf das, was
du mir gesagt hast, dass es zwischen euch beiden
vorbei ist, kaufe ich dir eine Flasche und einen
Salat.“ Er nahm mich beim Wort, und wir trennten
uns in der Hoffnung, so bald wie möglich Brüder
zu werden; denn ich mochte es nicht, so lange
das Hohelied der Liebe zu singen.
Zum Verspeisen dieses Salats hatte ich den
Berufskollegen Férand eingeladen, der Geselle
bei Vater Vilmont war und einen Teil unserer
Unterhaltung mitgehört hatte, worüber er Tränen
gelacht hatte. Und nachdem wir unsere Eskapaden
erzählt hatten, fing er dennoch an, mir Moral zu
predigen, und sagte zu mir, dass er nicht
begreife, dass ein junger Mann wie ich, der ich
meinen Beruf verstünde, der das Leben genossen
habe, der noch dazu Meister in Paris sei, nicht
danach strebe, sich zu verheiraten, und dass er
ein liebenswürdiges, zurückhaltendes junges
Mädchen kenne, das auch einiges an Vermögen
habe.
Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich
ernsthaft daran dachte, mich in eheliche Bande
zu begeben. Ich bat ihn darum, eine
Zusammenkunft mit der Person zu vereinbaren, von
der er mir so viel Gutes verkündete. Das
Zusammentreffen fand statt. Die Person gefiel
mir, ich stimmte zu, und wir waren uns schnell
einig. Es gab mindestens sechs Konkurrenten, und
ich siegte über all diese Bewerber. Ich sagte zu
ihr, dass ich das Leben genossen hätte, dass ich
nichts hätte und wenig erwartete, aber eine
Haupttriebfeder zur Ehe hätte: Dass ich mich als
Pariser Meister niederlassen könne; dass das,
was ich verdienen könne, ausreichend sei, um
mich zu kleiden; dass ich Schritte unternähme,
um einen Laden zu finden, der zu verkaufen sei,
und dass ich, wenn meine Arbeit mit den Laternen
fertig wäre, ich der Form halber und teils wegen
ihrer Familie zu meinem Vater heimkehren würde.
Das vermochte mich nicht davon abzuhalten, dass
Frau P... mich aufsuchen kam. Ich lud sie ein,
sich zu erfrischen. Das war ganz nach ihrem
Wunsch. In diesen Momenten war mir Amor, der
kleine Gott,305 gewogen. Wir hatten
eine Kammer und wir hatten ein ganz reizendes
Tête-à-Tête. Man sagte zu mir, dass ich ein
kleiner Quälgeist sei – dabei quälte ich mich
nicht ab –, aber wie dem auch sei, ich zog mich
nicht schlecht aus der Affäre. Sie hatte Grund
zur Zufriedenheit, denn sie titulierte mich als
Herkules in der Liebe. Da sie mich an meiner
empfindlichsten Seite packte und meiner
Eigenliebe schmeichelte, übertraf ich mich
selbst, als ich in den Armen dieser reizenden
Frau lag, die darauf mit höchster Erregung
reagierte. Das war für mich in Sachen Genuss
einer der schönsten Tage meines Lebens. Wir
versprachen einander, uns wiederzusehen und dass
sie, wenn ich den Platz von Bussie einzunehmen
wünschte, mir jede Aufmerksamkeit schenken würde
und dass ihr Ehemann hocherfreut sein würde. Ich
antwortete auf dieses Gerede nur einsilbig und
dass ich darüber nachdenken würde. Wir trennten
uns und nahmen uns fest vor, ihrem Dämlack von
Ehemann mehr und mehr Hörner aufzusetzen, über
den sie sich heftigst beklagte, weil er seinen
ehelichen Pflichten nicht nachkomme, da er, wie
sie sagte, impotent sei. Und er sah auch
wirklich aus wie ein richtiger, fetter Kapaun.
Eines Nachmittags gingen wir in Richtung
Belleville spazieren, an einer entlegenen Ecke.
Wir hatten ausreichend gevespert. Wir waren, wie
gesagt, außer Sichtweite von jedermann, als wir
dem Liebesgott unser Opfer darbrachten und in
süßer Ekstase waren, wobei die eine den Blick
zum Himmel, der andere auf die Erde richtete. Da
kommen auf einmal zwei oder drei Tölpel, die
offenbar unser Stöhnen gehört hatten. Als wir
mitten in der schönsten Naturbetrachtung waren,
kamen sie, rissen uns da brutal heraus und
stürzten sich auf uns. Ich wollte mich
verteidigen. Einer springt auf meinen Stock; ein
anderer springt mir an den Kragen; ein weiterer
ergreift meine Begleiterin. Was konnte ich
machen? Ich war im Naturzustand306.
Sie führten uns ab zum Fiskalanwalt, der uns
eine Strafpredigt hielt. Sie bekam es nur mit
der Angst zu tun und ich mit dem Verdruss,
überrascht worden zu sein, als ich Amor meine
Opfergaben darbrachte. Nachdem wir uns also
erholt hatten, nahmen wir uns fest vor, bei
unseren Opfern an Amor zurückhaltender zu sein.
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