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Silja Kai
Foshag
Es seye eine Forcht, was sie gestohlen
Leben und Persönlichkeit der 1788
zu Oberdischigen hingerichteten „Erzdiebin“ und „Landvagantin“ Elisabetha
Gassnerin, genannt Schwarze Lies
600
Seiten, 14 Abbildungen
Euro 68,00
ISBN
978-3-88571-382-1

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Eine schaurige Faszination ging seinerzeit von Elisabetha
Gassnerin aus, dieser „Meisterin im Stehlen vor allen anderen“, die ihr
diebisches Handwerk mit einer solchen Fertigkeit beherrschte, „dass man
meine, sie könne das Hexenwerk“. Die Justiz verbuchte ihre
Unschädlichmachung als großen Erfolg. Mit einem Strafregister, das die
vergleichsweise hohe Anzahl von 300 Taten, zumeist Taschendiebstähle,
aber auch acht Einbrüche, umfasst, ist Elisabetha Gassnerin die aktivste
der heute bekannten historischen Gaunerinnen sowie eine der aktivsten
historischen Gaunergestalten überhaupt. Schon die ältere Literatur nennt
ihren Namen in einem Atemzug mit dem eines Schinderhannes, eines
Schwarzen Veri oder eines Hannikel. Die düstere Legendenbildung um ein
Leben „in wilder Diebsfreiheit“ blieb nicht aus.
Doch was für ein Mensch und Schicksal verbergen sich
hinter dem Fall Elisabetha Gassnerin? Mit dem Ziel, die biografischen
Spuren dieser Frau zusammenzutragen und ihren Lebensweg, ihre Lebensweise
und ihre Persönlichkeit möglichst authentisch zu rekonstruieren, ist die
Autorin jedem noch so kleinen Hinweis in den Archiven gefolgt.
Ausgangspunkt war das 1.138 Fragen und ebenso viele Antworten umfassende
Verhörprotokoll aus dem Oberdischinger Prozess. Dazu kamen weitere, zum
Teil neu entdeckte, zum Teil erstmals in eine solche Untersuchung
einbezogene gerichtliche, grundherrschaftliche, pfarreiliche,
kartografische und bildliche Quellen bis hin zu den im Ulmer Museum
aufbewahrten Porträts der Eheleute Gassner, die mittels der historischen
Bildkunde zum Sprechen gebracht wurden.
Gelungen ist eine äußerst umfassende, außergewöhnlich
detailreiche, tiefe Einblicke gewährende und spannend zu lesende
Darstellung, die die familiären Hintergründe, das soziale Umfeld, das Familien-
und Beziehungsleben, die Selbstsicht und die persönlichen Motive, die
äußeren Lebenszwänge, die einzelnen Lebensstationen, die wirtschaftlichen
Verhältnisse, den kriminellen Werdegang und das kriminelle Profil sowie
die zeitgenössische Wahrnehmung in Umfeld und Öffentlichkeit sowohl
Elisabetha Gassnerins als auch ihres Ehemannes Johannes und ihres
späteren Lebensgefährten Matheis Ruttmann, genannt Rieser Matheis,
beleuchtet und manche gängige Auffassung nicht nur zur Person Elisabetha
Gassnerins, sondern auch zur professionellen Eigentumskriminalität
des 18. Jahrhunderts neu bewertet oder revidiert. Darüber hinaus
werden Fragen der Alltags-, Sozial-, Geschlechter-, Rechts-,
Mentalitäts-, Erfahrungs-, Wirtschafts-, Landes- und Militärgeschichte
berührt.
Der Anhang bietet
u. a. eine Deliktchronologie und ein von der Autorin angefertigtes
vollständiges Transkript des Oberdischinger Verhörprotokolls.
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